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Einmal Dauerbetäubung, bitte!

Heute berichte ich von einem guten Kollegen. Es kommt nicht selten vor, dass er betrunken zur Schule kommt, unter Drogeneinfluss Vorträge hält, oder sich in Erfolgsmomenten ein paar Zigaretten gönnt. Eishockeymatches schaut er mit dem Prinzip «für jedes Tor ein Bier». Seine Rechtfertigung: «Lieber lebe ich ein paar Jahre kürzer als dass ich auf Alkohol (= ein schöneres Leben) verzichten müsste.» Auch seinen Tod kann er sich nicht ohne Alkohol vorstellen. Er will mit ein paar Flaschen Wodka intus im See sterben.

Als wir einmal unter vier Augen einen ehrlichen Austausch hatten, schilderte er mir seine wirkliche Lage. Sie ist verzweifelt. «Dave, ich muss befürchten, dass sich meine Eltern in nächster Zeit trennen werden. Sie streiten immer heftiger.» Er gab mir noch weitere Einblicke in sein Zuhause, und die waren nicht gerade beneidenswert. Als er mir von dem, was ihn beschäftigt, erzählte, fügte er plötzlich halblaut hinzu: «Ich frage mich, ob es für dies alles nicht eine Lösung gibt.»

Die einzige Lösung, die unsere Gesellschaft für schwierige Zeiten bereithält, ist das Verdrängen der Realität. Mein Kollege hat offenbar ein Mangel, der nicht ausgeglichen werden kann, sondern immer grösser wird. Ist der Rausch verflogen, kommt zum Leid auch noch der Kater dazu. Seine schulischen Leistungen lassen stark nach, seine Fitness ist in den Keller gefallen, und sein Gewicht drastisch angestiegen.

Wenn man das «u» im Wort «Sucht» betont kommt man auf «(er) sucht». Mein Kollege sucht Ruhe und den Ausgleich durch die kurzfristige Betäubung. Er ertränkt seine Sorgen in der Flasche. Doch durch seine Ehrlichkeit konnte er zugeben, dass diese Strategie sein Leid nicht mindert, sondern verstärkt.

Um in einem Vergleich zu sprechen: Mein Kollege steckt im Sumpf der Sünde fest und sinkt immer weiter. Verzweifelt schreit er nach Hilfe. Ihm wird geraten, den Sumpf, das Elend und die Qual zu vergessen, und sich zu betäuben. Also holt er Herr Alkohol. Doch anstelle der Hilfe, klammert der sich an den Kollegen. Zusammen sinken sie noch schneller. Die (Er)-lösung, die mein Kollege sucht, kommt vom Einzigen, der nicht selbst im Schlamm steckt. Wir stellen fest: der Rat, Herr Alkohol oder andere Betäubungsmittel beizuziehen, ist genauso lächerlich, wie der Versuch, sich selbst an den Haaren aus dem Sumpf zu ziehen. Niemand kann jemand anderen herausziehen, wenn er selbst drinsteckt. Es kann nur jemand von oben helfen.

Aber gibt es nicht Alkoholiker, die durch ein kluges Programm aus eigener Kraft aus der Sucht aussteigen können? Nun, die Schuld vor Gott können wir nicht selbst tilgen. Gottes allgemeine Gunst, nicht aber seine erlösende Gnade, erstreckt sich auch auf Nichtchristen. Deshalb kommt es zum Glück bei solchen Leuten nicht immer zum Schlimmsten, wie zur ultimativen Betäubung; dem Suizid.

Ich habe das Verhalten meines Freundes und die Art und Weise seiner Verdrängung oft hinterfragt und kritisiert. Doch was habe ich dabei erreicht? Ich habe ihn nur noch weiter in die Verzweiflung getrieben. Das Gespräch mit ihm zeigte mir von Neuem auf, dass jede Handlung einen bewussten oder unbewussten Grund hat. Niemand tut etwas motivationslos, einfach nur, damit es getan ist. Im Fall meines Kollegen ist sein Alkoholproblem aus einer Not heraus entstanden, über die ich vor diesem Gespräch einfach hinweggegangen bin.

Ich wünsche mir, dass ich meinem Kollegen in einem passenden Moment über diese Gunst hinaus auf die wahre Erlösung hinweisen kann.

 

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